Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt

Der Kirchengemeinde Lintfort hat sich intensiv mit dem Thema sexualisierte Gewalt auseinandergesetzt und ein Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt erstellt. Ziel ist, Übergriffe in Wort und Tat zu verhindern. Im Fall, dass dennoch eine Tat geschehen ist, sollen die Betroffenen schnellstmögliche Unterstützung bekommen und die Täter*innen den zuständigen gesetzlichen Behörden gemeldet werden.

Damit das Konzept funktioniert, werden alle haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden regelmäßig geschult, um Gewalt erkennen zu können und nach Möglichkeit verhindern zu helfen. Zudem wird von allen in regelmäßigen Abständen ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt.

Bitte lesen Sie im Konzept, was unter sexualisierter Gewalt zu verstehen ist, wer Ansprechpartner*in im Falle eines Übergriffes ist und wie damit umgegangen werden soll.

Meldestelle des Kirchenkreises

Bitte rufen Sie eine der Vertrauenspersonen an, falls Sie Beratung im Verdachtsfall sexueller Gewalt benötigen:

Andrea Kröger
Mühlenstr. 20
47441 Moers
Tel.: 02841 100139
Handy: 0176 7353 9283
E-Mail: a.kroeger@kirche-moers.de

Jürgen Voß
Grafschafter Diakonie gGmbH – Diakonisches Werk Kirchenkreis Moers
Konradstr. 86
47475 Kamp-Lintfort
Mobil: 0173 8260523
E-Mail: j.voss@grafschafter-diakonie.de

Lea Cerny
Mabilda e.V.
Kalthoffstr. 73
47166 Duisburg
Tel.: 02841 100267 (Weiterleitung auf einen externen Anschluss)
E-Mail: Lea-Cerny@gmx.de

Kontakt & Hilfe bei der Landeskirche

  • Die Ansprechstelle für den Umgang mit Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung in der Evangelischen Hauptstelle für Familien- und Lebensberatung bietet Betroffenen, deren Angehörigen und anderen Ratsuchenden vertrauliche Beratung an. Ansprechpartnerin Claudia Paul ist unter Tel. 0211 3610312 erreichbar. Claudia Paul ist auch für Intervention und gemeinsam mit Juliane Arnold für Prävention zuständig.
  • In der Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung (FUVVS) bei der Diakonie RWL ist Teresa Thater Ansprechpartnerin für Betroffene, die Anträge auf Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids stellen möchten. Erreichbar ist sie unter Tel. 0211 6398494.
  • Die Meldestelle im Landeskirchenamt ist erreichbar unter Tel. 0211 4562602 und per Mail an meldestelle@ekir.de. Für beruflich und ehrenamtlich Mitarbeitende besteht nach dem Kirchengesetz Meldepflicht bei begründetem Verdacht auf sexualisierte Gewalt.

Das „Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch“ ist die bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt, für Angehörige sowie Personen aus dem sozialem Umfeld von Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten.

Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch

Das „Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch“ ist die bundesweite, kostenfreie und anonyme Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt, für Angehörige sowie Personen aus dem sozialem Umfeld von Kindern, für Fachkräfte und für alle Interessierten.
Das Hilfe-Telefon berät unter der Rufnummer 0800 2255530 anonym, kostenfrei und mehrsprachig, montags, mittwochs, freitags von 9 bis 14 Uhr sowie dienstags und donnerstags von 15 bis 20 Uhr.
Weitere Infos gibt es unter www.hilfe-portal-missbrauch.de/.

ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt und den Umgang mit Betroffenen in der Ev. Kirche

Am 25. Januar 2024 wurde die unabhängige ForuM-Studie veröffentlicht. Ihr Ziel: Licht bringen in die Abgründe sexualisierter Gewalt im Rahmen der Ev. Kirche. Bei der live übertragenen zweistündigen Pressekonferenz sprachen die EKD-Ratsvorsitzende, Forscher:innen und betroffene Personen. Zu den Betroffenen gehörte Detlev Zander. Er sagte „Heute ist für die ev. Kirche und die Diakonie Deutschland ein rabenschwarzer Tag. Eigentlich sollten heute sämtliche Glocken läuten und die Fahnen auf Halbmast stehen. Für die Betroffenen ist es ein guter Tag, denn die Betroffenen warten seit Jahren auf so eine Studie. […] Ich bin froh, dass die Betroffenen in dieser Studie im Mittelpunkt standen.“ Der Umgang mit ihnen sei in der Vergangenheit unerträglich und verletzend gewesen.

Die Studie war von der Ev. Kirche für 3,6 Mio. Euro in Auftrag gegeben worden. Sie sollte institutionelle Mechanismen und evangelisch-spezifische Phänomene, so der Forschungsleiter Prof. Martin Wazlawik, darstellen. In Interviews mit mehr als 100 von sexualisierter Gewalt betroffenen Personen, zudem Gesprächen mit Amtsträger:innen und Kirchenmitarbeitenden sowie der Durchsicht von zahlreichen (aber nicht allen) Akten erforschten die Wissenschaftler:innen z. B. wie es zur Gewalt kommen konnte, wie mit den Menschen, die sich gemeldet haben, umgegangen wurde, was nach den Meldungen geschah. Überall zeigte sich großes Versagen. Es gab z. B. die Erfahrung von Betroffenen, dass engagierte Mitarbeitende sie unterstützten und betreuten, solange die Beschädigung der ev. Einrichtung, Organisation oder Personen nicht zu befürchten war. Wenn doch, setzte „institutionelle Trägheit“ ein, wurden Rückmeldungen verschleppt, auf juristische Schwierigkeiten verwiesen, betroffene Personen als krank wahrgenommen. Manche Betroffene wurden sehr schnell aufgefordert, zu vergeben, ohne dass die begangenen Taten wirklich verfolgt und geahndet wurden. Von Harmoniebedürfnis und mangelnder Konfliktkultur in der ev. Kirche spricht die Studie ebenso wie von problematischen Strukturen, die es möglich mach(t)en, die eigene Leitungsverantwortung von sich wegzuschieben. Traumatisierte Menschen erlebten eine zweite Traumatisierung, verloren ihre kirchliche Heimat, ihren Glauben, sahen keine andere Möglichkeit mehr, als ihr Lebensumfeld zu verlassen.

Von 2225 Fällen seit Kriegsende war im Pressegespräch die Rede, von 1259 beschuldigten Personen, 511 davon Pfarrer:innen, die meisten männlich, zu zwei Dritteln verheiratet. Vermutlich liegen die Zahlen deutlich höher. Die Kirche hätte Betroffenen sofort Glauben schenken und direkt nachforschen müssen, wenn es auch nur eine Meldung zu einer Person gab. Denn in 45 Prozent der gemeldeten Fälle finden sich Serientaten mit im Schnitt fünf Betroffenen. Geistliche hätten ihre Pastoralmacht, ihrer Sprachkompetenz und Beziehungsnähe in der Seelsorge ausgenutzt.

Ein deutlicher Risikofaktor ist die ausgeprägt föderale Struktur der evangelischen Kirche. Das beginnt beim unterschiedlichen Protokollieren des Erstkontaktes mit betroffenen Personen bis hin zu unterschiedlichen Anerkennungsleistungen der Landeskirchen.

Nie habe es von Seiten der Kirche und der Diakonie einen initialen Aufarbeitungswunsch gegeben. Immer haben Betroffene darauf dringen müssen. Erst seit dem Jahr 2018 thematisierte die EKD sexualisierte Gewalt. Vorher wurde sie zu Unrecht hauptsächlich als katholisches Problem des Zölibats und konservativer Sexualmoral verstanden, als gesamtgesellschaftliches Problem, das eben auch die Kirche betreffe, oder als historisch bedingt betrachtet, etwa als Problem der Heimerziehung oder in Zeiten der Liberalisierung des Sexualdiskurses in der 60er und 70er Jahren.

Prof. Watzlawik sagte jedoch auch „Wir haben immer wieder Menschen, die sich glaubwürdig einsetzen für Prävention. Wir wollen nicht unerwähnt lassen […], was sich in den letzten zwei Jahren getan hat.“ Aber es brauche viel Energie, Kraft und Thematisierung, damit hinsichtlich der tief verankerten Strukturen und evangelischen Kulturen eine Veränderung und eine angemessene und wirksame Übernahme von Verantwortung stattfinde.

Weitere Informationen

Die Ergebnisse der ForuM-Studie werden auf EKD-Ebene zusammen mit den Betroffenen im Beteiligungsforum ausgewertet. Die Auswertung wird auf der EKD-Synode November 2024 veröffentlicht. Dabei geht es auch darum, aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen als ev. Kirche die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Zeitgleich sollen regionale Aufarbeitungsstudien begonnen werden zu Fällen in Kirchenkreisen und Gemeinden.

Die 870 Seiten lange Studie und eine 39seitige Zusammenfassung findet sich auf www.forum-studie.de.

Im Kirchenkreis Moers und Gemeinden gibt es seit dem Juni 2021 ein Konzept zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Hierin sind Risikoanalysen z.B. für alle Gebäude erstellt worden. Polizeiliche Führungszeugnisse werden von allen Mitarbeitenden verlangt, die Teilnahme an den angebotenen Präventionsschulungen ist für alle haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden verpflichtend. Vertrauenspersonen nehmen Meldungen von Betroffenen oder über Beobachtungen entgegen. Ihre Kontaktdaten sind über Plakate in Gemeinderäumen, ausliegenden Visitenkarten und www.kirche-moers.de leicht zu finden. Jeder Meldung wird nachgegangen.

Egbert Schäffer – Pressereferent des Kirchenkreises Moers

Abgründiges Leid

Abgründiges Leid haben uns die Betroffenen in der ForuM-Studie vor Augen gestellt – und ich hoffe, uns damit die Augen geöffnet. Viel zu vielen ist unter dem Dach unserer evangelischen Kirche und unserer Diakonie furchtbare Gewalt angetan worden. Von einigen von ihnen wissen wir, von vielen wissen wir noch nicht. Wir haben davon gehört vom Martinstift in Moers in den 50er Jahren. Wir hören und lesen nun davon, dass sexualisierte Gewalttaten an so vielen kirchlichen Orten verübt wurden. Es gibt keine heile Welt bei uns Und es kann niemanden mehr geben, der/die meint, in ihrem/seinem Verantwortungsbereich gäbe es keine Gefährdungen. Wir sind dankbar und es beschämt uns zugleich, dass erst die Stimmen von Betroffenen stark werden mussten, bevor wir als Kirche und Diakonie angefangen haben wirklich hinzuhören. Die ForuM-Studie hält uns den Spiegel vor, in dem erkennbar wird, wie wir nicht hingeschaut und abgewiegelt haben, wie wir Betroffenen nicht glauben wollten und bemüht waren, den guten, den vermeintlich heilen Schein zu wahren, wie wir in schönen Selbstbildern gelebt haben, den Missbrauch von Macht nicht erkannt haben und nicht glauben wollten, was wir schon lange hätten wissen können. Die ForuM-Studie zeigt uns schlimme Versäumnisse und zugleich bessere Wege auf, wie wir für mehr Schutz sorgen, Betroffene ernstnehmen und unterstützen, Verdachtsfällen nachgehen und so unsere Kirche und unsere Diakonie zu einem sichereren Raum machen können. Damit hilft uns die ForuM-Studie auch, unsere Verantwortung je vor Ort besser zu begreifen – und sie aktiv wahrzunehmen. Das ist enorm wichtig und zugleich der Schlüssel für jede Verbesserung. Deshalb bin ich froh über die ehrlichen Erkenntnisse dieser Studie, so schmerzhaft sie sind. Und der Schmerz der Menschen, die in unserem kirchlich-diakonischen Verantwortungsbereich Leid erlitten haben, verpflichtet uns, den nächsten und den übernächsten Schritt der Aufarbeitung und der Prävention zu gehen.

Bitte gehen Sie mit!

Ihr Wolfram Syben, Superintendent